Wie Staatshilfe zur Dividende wird

Stellen Sie sich vor, Sie laufen eine Einkaufsstraße entlang und dort sitzt ein Bettler. Sie haben Mitleid und legen etwas Kleingeld in seinen Becher. Dann kommt eine Limousine vorgefahren und der Bettler steht auf und gibt das Geld durch die offen Scheibe in das Auto.

Genau das passiert mit unserem Geld, insbesondere in Krisenzeiten, direkt vor unseren Augen.

Deutsche Großkonzerne beantragen Staatshilfen oder schicken ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit und zahlen zur selben Zeit Milliarden an die Aktionäre aus. Gewinne werden privatisiert, Verluste verallgemeinert.

Beispielsweise schickte BMW seine Mitarbeiter in Kurzarbeit und schüttete im gleichen Monat über 1,6 Mrd. an die Aktionäre aus. Beiersdorf, Continental, Daimler, HeidelbergCement, Infineon, Siemens und VW sind da keine Bohne besser, alle hatten 2020 Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt und ließen die Herzen der Aktionäre trotzdem höherschlagen. Die meisten dieser Konzerne taten dies übrigens auch schon 2009 während der Finanzkrise, man könnte also von Serientätern sprechen.

Die Kurzarbeit in den meisten dieser Unternehmen war nicht bedingt durch politische Maßnahmen oder zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Vielmehr waren die Unternehmen gezwungen, ihre Produktion zu drosseln, aufgrund von Engpässen bei Zulieferern im Ausland (inbesondere in China).

VW benutzte das Instrument der Kurzarbeit sogar 2019 in einem Streit mit einem Zulieferer, als sie die Bänder stilllegen mussten, aufgrund von Managementfehlern. (siehe hier)

Das Instrument der Kurzarbeit sollte das allerletzte Mittel sein, es ist dafür gemacht, Stellenabbau zu verhindern. Aktuell ist es sehr wertvoll für die von den Maßnahmen gegen die Pandemie hart betroffenen Branchen. Es darf aber nicht benutzt werden um kurzfristig Gewinne von Konzernen zu optimieren.

Einige Politiker, Gewerkschaften und Zeitungen argumentieren oft, dass die Kurzarbeit ja keine Staatshilfe sei, sondern eine Versicherung. Jedoch ist es eine Versicherung, die nicht freiwillig ist, sondern verpflichtend, und somit von allen bezahlt wird. Außerdem werden 2020 wahrscheinlich die gesamten Reserven der Agentur für Arbeit (26 Mrd.) aufgebraucht sein, was bedeutet, dass entweder dieses Jahr die Beiträge für die Arbeitslosenversicherung steigen werden oder der Bund einen Zuschuss geben wird. Egal was passiert, beides bedeutet, die Allgemeinheit zahlt für die Dividenden der Konzerne, also muss man hier von Staatshilfe sprechen. Olaf Scholz hat groß getönt, niemand der Staatshilfe bekommt, wird Dividenden auszahlen, Kurzarbeit meinte er damit leider nicht.

Die Dax Konzerne sind nur die Spitze des Eisbergs, mein Arbeitgeber hatte 2020 auch einen Teil der Mitarbeiter in Kurzarbeit, dabei wurde der größte Gewinn der Firmengeschichte erzielt und kräftig Geld an den Mutterkonzern ins Ausland transferiert.

Und es wäre so einfach, Dänemark, Schweden und Frankreich machen es vor. Kein Kurzarbeitergeld bei Auszahlung von Dividenden – Punkt Basta. Aber das ist wohl nicht gewollt.

Auch die ganzen Relativierungen, die oft von den Unternehmen verbreitet und von den Zeitungen aufgenommen werden, sind nur leere Worthülsen. Bei BMW hängen die Boni der Mitarbeiter an der Dividende und außerdem betrifft die Dividende ja den Wirtschaftserfolg des Vorjahres. All das stimmt, jedoch zwingt niemand die Unternehmen Kurzarbeit zu beantragen. Man könnte auch Rücklagen bilden und in schlechten Zeiten die Mitarbeiter damit bezahlen, anstatt das Geld an die Aktionäre auszuzahlen.

Zusätzlich zum Staat, zahlen oft auch die Mitarbeiter drauf, da sie dann für die Dividenden der Aktionäre auf einen Teil ihres Lohns verzichten müssen. Obwohl sie selbst dieses Geld erwirtschaftet haben.

Doch es geht noch besser. Mindestens 2 Unternehmen, Bayer und BASF, haben 2020 in Großbritannien Staatshilfe oder Nothilfe beantragt (1,1 Mrd./670 Mio.), in Deutschland einen Teil der Belegschaft in Kurzarbeit geschickt und schütteten jeweils etwa 3 Mrd. an die Aktionäre aus. Das ist die Staatshilfe, die Scholz meinte, aber wenn es um Steuergelder in anderen Ländern geht, dann gilt das auch nicht. Hier gibt es wahrscheinlich noch viel mehr schwarze Schafe, jedoch ist die Recherche, welches Tochterunternehmen eines deutschen Konzerns wo Hilfen bekommen hat leider kaum möglich.

Das hat nichts mehr mit dem Bild vom „ehrbaren Kaufmann“ zu tun, das uns gerne verkauft wird. Das ist nur noch dreist. Nicht unerwähnt sollte hier auch die Autoindustrie bleiben. BWM, VW und Daimler beglückten 2020 die Aktionäre, hatten natürlich zeitweise Mitarbeiter in Kurzarbeit und obendrein drängten sie noch die Politik dazu, im Konjunkturpaket die ohnehin schon sinnlose Kaufprämie für Plug-IN Hybriden noch zu erhöhen. (Total schwachsinnige Autos mit Verbrenner und E-Motor, die meist SUVs sind und nur wenige Kilometer mit dem E-Motor schaffen, dafür sonst noch mehr Sprit verbrauchen aufgrund des zusätzlichen Gewichts).

Aber wir sollten nicht vergessen, die großen Aktionäre sind ja auch große Geber. Nehmen wir z.B. die Familie Klatt/Quandt, denen ca. 40% von BMW gehört und die deshalb letztes Jahr etwa 700 Mio. Dividende kassiert haben. Davon wollten sie gerne was abgegeben, z.B. 100.002 Euro in die Parteikasse der CDU, wie jedes Jahr (siehe hier). Vor ein paar Jahren waren es sogar noch mehr, aber anscheinend sind die Kosten für die Bestechungen von Politiker gefallen, nicht alles wird immer teurer 😉

Ihr wollt was dageben tun, dann unterstützt die Kampagne von der Bürgerbewegung Finanzwende (hier). Außerdem könnt ihr euch auch direkt an unseren Finanzminister (hier) oder unseren Arbeitsminster (hier) wenden, beide von der (S)PD.

Nachtrag (Feb. 2021): Jetzt hat sich bewahrheitet, was ich prognostiziert habe. Daimler verkündet für 2020 eine Gewinnsteigerung um 50 % auf ca. 4 Mrd. € und zahlt davon satte 1,5 Mrd. € an ihre Aktionäre aus. Darin enthalten sind die ca. 700 Mio. € Steuergeld (Kurzarbeitergeld), welche wir alle bezahlt haben. Wo bleibt der Aufschrei. Wenn ein Hartz-IV-Empfänger nebenbei schwarz arbeiten geht und sich 5 Euro mehr verdient, ist die Titelseite der nächsten „Bild“ sicher. Wenn Daimler aus der Staatskasse 700 Mio. € nimmt und an die Aktionäre auszahlt, dann interessiert es niemanden.

Nachtrag 2 (März 2021): Und es geht fröhlich weiter. VW und Daimler müssen erneut wegen der Just-In-Time Delivery die Bänder stilllegen. Doch wieder zahlen nicht die Konzern für das Risiko, sondern die Mitarbeiter, welche erneut auf Teile ihres Gehalts in Kurzarbeit verzichten müssen, und die Allgemeinheit (mehr dazu hier).

3 Kommentare zu „Wie Staatshilfe zur Dividende wird“

  1. Lieber Bruno, mit folgendem Satz triffst du es sehr gut: „Gewinne werden privatisiert, Verluste verallgemeinert.“ Gilt das neben der Dividende auch für die Aktienkurse an sich? Ich sehe trotz fast einjähriger Krise einen Höchstwert beim DAX und frage mich, wer davon profitiert. Viele meiner Freunde, die ich zur Mittelschicht zählen würde, haben im letzten Jahr ihr Vermögen dadurch vergrößern können. Würdest du weiterhin die Allgemeinheit als Verlierer bezeichnen? Und war bei der Staatshilfe für die TUI AG alles sauber aus deiner Sicht?

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    1. Hi Sutit,
      das mag vielleicht etwas hart klingen, aber jeder in Deutschland der von Vermögen spricht und das Spiel and der Börse insbesondere in solchen Zeiten mitspielt, der gehört nicht zur Mehrheit der Bevölkerung, die dafür geradestehen muss. Hinzu kommt, dass im Dax etwa 17% der Aktien in der Hand von Privatanlegern sind, also die größten Gewinner sind nicht private Anleger.
      In die Staatshilfe der TUI, sowie auch bei der Lufthansa, habe ich noch nicht tiefer reingeschaut, wenn ich die Zeit dazu finde, wird dazu auch noch was erscheinen.

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