Ich will heute mit diesem Beitrag eine kleine Brücke über den immer tiefer werdenden Spalt errichten, der dieses Land zu teilen droht. Der Spalt, der aktuell Freunde und Bekannte, Brüder und Schwestern, Eltern und Kinder und sogar Liebende trennt, sie gegeneinander aufhetzt und diese Gesellschaft an den Rand des Abgrunds schiebt.
Es naht das Fest der Liebe und im Sinne genau dieser Liebe sollten wir uns wieder mehr zuhören, uns verzeihen und mehr versuchen die andere Person zu verstehen. Jeder und wirklich jeder (damit sind alle Experten eingeschlossen) hat sich in dieser Pandemie schon mal geirrt und somit kann auch jeder mit seiner aktuellen Position falsch liegen. Niemand hat die absolute Wahrheit, selbst die Wissenschaft lebt vom Dialog und Austausch. Noch dazu hat jeder andere Voraussetzungen und somit andere Bedürfnisse. Jeder ist mit anderen Lebenserfahrungen in diese Pandemie gekommen, außerdem hat jeder andere Erfahrungen gemacht, mit der Krankheit, den Maßnahmen und der Impfung. Die meisten haben in den letzten 18 Monaten gelitten, jedoch alle auf ihre eigene Weise. Ob durch Einsamkeit, Stress, Trauer oder auch körperliches Leiden, wurde jeder anders getroffen. Manche härter von der einen Seite, andere härter von der anderen Seite.
Durch diese verschiedenen Ausgangpositionen hat jeder andere Ängste und andere Vorstellungen vom Leben. Aber allen ist gemeinsam, dass sie die aktuelle Situation belastend finden und wir diese überwinden wollen. Das schaffen wir nur gemeinsam. Über den richtigen Weg lässt sich dabei streiten. Doch zum Streiten gehört, dass wir einander zuhören, diskutieren, die andere Seite respektieren und Kompromisse finden. Wenn wir jedoch den Weg der Spaltung weitergehen, wird es am Ende egal sein, welches der bessere Weg war, denn wir werden alle verlieren – weil wir einander verloren haben. Wenn wir uns weiter anfeinden, gegenseitig die Menschlichkeit aberkennen, dann werden wir ein gebrochenes Volk sein. Wenn auf Schaufenstern in diesem Land wieder Sprüche zu lesen sind wie „Kauft nicht beim Ungeimpften“, wenn Menschen wieder mit Fackeln durch die Straßen ziehen und wenn der Kanzler über 10 Millionen Mitbürger eine „laute Minderheit“ nennt und nicht einen wesentlichen Teil der Gesellschaft, dann macht mir persönlich das mehr Angst als irgendein Virus oder eine Spritze. Wenn wir im nächsten Jahr, diesen Teil der Bevölkerung zur Impfung zwingen, dann werden wir keinen Spalt haben, sondern einen tiefen Riss. Und dieser Riss wird an vielen Stellen nicht mehr heilen, an anderen vielleicht, doch es wird lange dauern und tiefe Narben hinterlassen. Wir als Gesellschaft haben dann versagt, alle gemeinsam, ob geimpft oder ungeimpft, ob alt oder jung, krank oder gesund. Wir haben den Hass und die Verachtung siegen lassen, anstatt die Wärme und die Liebe füreinander. Wir haben im anderen nicht mehr den Menschen gesehen, sondern nur noch den folgsamen Regierungsanhänger oder den ungeimpften Mörder. Wir haben das dann zugelassen und wir sind dann alle dafür verantwortlich. Nicht die Hetzer, die zwar mit dem Hammer den Keil treiben, aber wir haben mitgemacht, ausgeschlossen, verachtet oder einfach stillschweigend zugesehen. Wir haben Freunde fürs Leben verloren, Geschwister verschmäht oder Kinder enterbt.
Wir werden diese Krise nicht mit Fakten lösen, denn wie im Krieg, kam die Wahrheit unter der Propaganda als erstes unter die Räder. Wir müssen jetzt endlich verbal abrüsten, die Ängste der anderen tolerieren und wieder ins Gespräch kommen. Am Ende haben wir ein gemeinsames Ziel, wir wollen wieder angstfrei leben. Respekt und Verständnis sollten unser Tun und Handeln bestimmen und nicht Hass, Druck und Diskriminierung.
Ich habe eine Bitte an alle, ob geimpft oder ungeimpft: Lasst uns die Kriegspropaganda über die Feiertage ruhen lassen, so wie die Waffen Weihnachten 1914 in den Schützengräben schwiegen. Und dann lasst uns diese Tage nutzen, um eine kleine Brücke zu bauen. Vielleicht einen Brief, eine Nachricht, ein Telefonat oder sogar einen Besuch wagen. Ohne Vorurteile, mit Verständnis, lasst uns die andere Meinung tolerieren, so wie wir auch in der Vergangenheit schon andere Meinungen tolerieren konnten. Lasst uns gemeinsam dieses Land heilen.
Am Ende noch ein paar Worte an Sie, Herr Scholz: Sie wollen der Kanzler aller Deutschen sein. Dann erinnern Sie sich an Ihre Kindheit zurück, damals war Ihr Parteikollege Willy Brandt Kanzler. Und Brandt ist trotz aller Vorurteile und Propaganda auf die andere Seite zugegangen und hat die Hand kniend ausgestreckt, anstatt mit Druck und Macht die andere Seite einzuschüchtern. Damals war dieses Volk durch eine nahezu unüberwindbare Barriere geteilt, doch mit seiner Politik der Nähe und des Zuhörens, hat er der Mauer die ersten Schläge versetzt, die sie zwanzig Jahre später zum Einstürzen brachte.
In diesem Sinne wünsche ich Frohe Weihnachten
PS: Ich habe diesen Blog vor knapp einem Jahr gestartet mit dem Zitat aus einem Lied von Reinhard Mey was er vor über 30 Jahren geschrieben hat und es ist heute aktuelle denn je, aber hört selbst: